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Berufshaftpflicht Schweiz: Kosten, Anbieter & Pflicht

Berufshaftpflicht für Selbständige: Wann obligatorisch, Kosten nach Beruf und beste Anbieter in der Schweiz. Kompletter Guide mit Check. Jetzt lesen!

Redaktion9 Min. Lesezeit

Berufshaftpflicht ist für viele Selbständige in der Schweiz mehr als nur eine Versicherungsoption – sie kann existenzentscheidend sein. Ein einziger Beratungsfehler oder Planungsmangel kann Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zur Folge haben. Nach Schweizer Obligationenrecht haftest du persönlich für alle Schäden, die durch deine berufliche Tätigkeit entstehen. Dieser Guide zeigt dir, wann eine Berufshaftpflicht obligatorisch ist, was sie kostet und welche Anbieter 2026 empfehlenswert sind.

Was bedeutet Berufshaftpflicht in der Schweiz?

Die Berufshaftpflichtversicherung schützt dich vor Schadenersatzforderungen aus deiner beruflichen Tätigkeit. Anders als die Privathaftpflicht deckt sie ausschließlich Schäden ab, die während der Berufsausübung entstehen.

Rechtliche Grundlage bildet das Obligationenrecht (Art. 41 ff. OR): Wer einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, ist zum Ersatz verpflichtet. Diese Haftung ist unbeschränkt und kann deine gesamte Existenz gefährden.

Die Schweizer Besonderheit: Auch als GmbH-Geschäftsführer oder AG-Verwaltungsrat haftest du oft persönlich. Die beschränkte Haftung der Gesellschaft schützt nicht vor persönlichen Fehlern.

Drei Schadenarten werden abgedeckt:

  • Personenschäden: Verletzung oder Tod durch deine berufliche Tätigkeit
  • Sachschäden: Beschädigung fremder Gegenstände
  • Vermögensschäden: Finanzielle Verluste ohne Personen- oder Sachschäden

Für Selbständige ist diese Absicherung besonders relevant, da bereits ein mittlerer Schaden die jahrelange Arbeit zunichtemachen kann.

Voraussetzungen und rechtliche Anforderungen

Obligatorische Berufshaftpflicht

Bestimmte Berufe müssen zwingend eine Berufshaftpflicht abschließen:

Rechtsberufe:

  • Anwälte: Mindestdeckung CHF 1 Mio. (kantonal geregelt)
  • Notare: CHF 2-5 Mio. je nach Kanton
  • Patentanwälte: CHF 1 Mio.

Gesundheitswesen:

  • Ärzte: CHF 5-50 Mio. je nach Fachgebiet
  • Zahnärzte: CHF 2-5 Mio.
  • Physiotherapeuten: CHF 1-2 Mio.

Baubereich:

  • Architekten: CHF 5-20 Mio.
  • Bauingenieure: CHF 5-10 Mio.
  • Landschaftsarchitekten: CHF 2-5 Mio.

Finanzdienstleister:

  • Treuhänder: CHF 2-10 Mio.
  • Vermögensverwalter: CHF 5-20 Mio.
  • Versicherungsbroker: CHF 1-5 Mio.

Freiwillige Versicherung empfohlen

Für diese Berufsgruppen besteht keine Pflicht, aber hohes Risiko:

  • IT-Consultants und Programmierer
  • Unternehmensberater
  • Marketingagenturen
  • Handwerker ohne Bauberechtigung
  • Übersetzer und Dolmetscher

Voraussetzungen für den Abschluss:

  • Nachweis der beruflichen Qualifikation
  • Vollständige Tätigkeitsbeschreibung
  • Angaben zu bisherigen Schäden
  • Bei reglementierten Berufen: Berufszulassung

Nachversicherung: Die meisten Verträge enthalten automatisch eine Nachversicherung für 1-5 Jahre nach Vertragsende. Diese schützt vor späteren Ansprüchen aus vergangenen Arbeiten.

Kosten im Überblick

Jährliche Prämien nach Berufsgruppen

BerufsgruppeDeckungssummeJährliche Prämie (CHF)Selbstbehalt
IT-Berater1-3 Mio.800-1'5001'000-5'000
Unternehmensberater2-5 Mio.1'200-2'5002'000-10'000
Handwerker1-2 Mio.600-1'200500-2'000
Treuhänder5-10 Mio.2'500-4'5005'000-20'000
Architekt10-20 Mio.3'000-6'00010'000-50'000
Anwalt5-10 Mio.2'500-5'0005'000-25'000
Arzt (Grundversorgung)20-50 Mio.4'000-8'00010'000-50'000
Chirurg50-100 Mio.15'000-35'00025'000-100'000

Zusätzliche Kostenoptionen

Optionale Zusatzdeckungen:

  • Eigenschäden-Deckung: CHF 300-800/Jahr
  • Weltweiter Schutz: CHF 500-1'200/Jahr
  • Cyber-Risiko-Einschluss: CHF 400-1'000/Jahr
  • Erhöhte Deckung: 20-40% Aufschlag je nach Verdopplung

Sparmöglichkeiten:

  • Gruppenversicherungen über Berufsverbände: 15-25% Rabatt
  • Höherer Selbstbehalt: 10-30% Prämienreduktion
  • Mehrjährige Verträge: 5-10% Rabatt
  • Kombination mit anderen Versicherungen: bis 15% Rabatt

Deckungssummen und Schadenbeispiele

Empfohlene Deckungssummen

Die Deckungssumme sollte mindestens dem doppelten Jahresumsatz entsprechen:

Faustregel nach Umsatz:

  • Bis CHF 100'000 Umsatz: Mindestens CHF 1 Mio. Deckung
  • CHF 100'000-500'000 Umsatz: CHF 2-5 Mio. Deckung
  • CHF 500'000-1 Mio. Umsatz: CHF 5-10 Mio. Deckung
  • Über CHF 1 Mio. Umsatz: Mindestens CHF 10 Mio. Deckung

Konkrete Schadenbeispiele

IT-Berater: Ein Programmierfehler in der Banking-Software führt zu Systemausfall. Schaden: CHF 350'000 für entgangene Geschäfte und Systemwiederherstellung.

Unternehmensberater: Falsche Steuerberatung bei Firmenumstrukturierung verursacht Steuernachzahlung von CHF 800'000 plus Zinsen und Bussen.

Architekt: Planungsfehler bei Wohnüberbauung führt zu Statikproblemen. Kosten für Verstärkungsmaßnahmen: CHF 2,3 Mio.

Treuhänder: Fehlerhafte MWST-Abrechnung über mehrere Jahre führt zu Nachzahlung von CHF 650'000 beim Mandanten.

Durchschnittliche Schadenhöhen 2023:

  • IT/Beratung: CHF 125'000
  • Architektur/Planung: CHF 485'000
  • Medizin: CHF 180'000
  • Treuhand/Finanzen: CHF 290'000

Schritt-für-Schritt Anleitung zum Abschluss

1. Prüfung der gesetzlichen Pflicht

Informiere dich bei deinem Berufsverband oder der zuständigen Behörde, ob für deinen Beruf eine Versicherungspflicht besteht. Die Kantone haben oft unterschiedliche Regelungen.

2. Risikoanalyse durchführen

Analysiere deine beruflichen Tätigkeiten:

  • Welche Schäden können entstehen?
  • Wie hoch ist das größte denkbare Schadenrisiko?
  • Arbeitest du mit sensiblen Daten oder kritischen Systemen?
  • Hast du internationale Kunden?

3. Deckungssumme festlegen

Orientiere dich an diesen Faktoren:

  • Jahresumsatz (mindestens das Doppelte)
  • Branchenübliche Schäden
  • Größe deiner Projekte
  • Finanzielle Tragbarkeit der Prämien

4. Angebote einholen

Hole mindestens drei Vergleichsangebote ein:

  • Direktversicherer (Zurich, AXA, Allianz)
  • Spezialisierte Anbieter für deine Branche
  • Makler für umfassende Beratung

5. Bedingungsvergleich

Vergleiche nicht nur Prämien, sondern auch:

  • Deckungsumfang und Ausschlüsse
  • Selbstbehalt und Zahlungsmodalitäten
  • Nachversicherungsdauer
  • Schadensabwicklung und Service

6. Antrag stellen

Fülle den Antrag vollständig und wahrheitsgemäß aus:

  • Genaue Tätigkeitsbeschreibung
  • Umsatzangaben der letzten drei Jahre
  • Mitarbeiteranzahl und Qualifikationen
  • Bisherige Schadenhistorie

7. Police prüfen und einreichen

Nach Erhalt der Police:

  • Alle Angaben auf Richtigkeit prüfen
  • Bei Pflichtversicherung beim Berufsverband/Behörde einreichen
  • Kopie bei Geschäftsunterlagen aufbewahren

8. Jährliche Überprüfung

Passe die Versicherung regelmäßig an:

  • Bei Umsatzsteigerungen Deckung erhöhen
  • Neue Tätigkeitsfelder melden
  • Prämien und Bedingungen vergleichen
  • Schadenentwicklung beobachten

Häufige Fehler vermeiden

1. Zu niedrige Deckungssumme wählen

Fehler: CHF 500'000 Deckung bei CHF 800'000 Jahresumsatz Lösung: Mindestens das Doppelte des Jahresumsatzes absichern, besser noch mehr bei risikoreichen Tätigkeiten

2. Nur auf den Preis schauen

Fehler: Günstigste Prämie ohne Blick auf Leistungen wählen Lösung: Deckungsumfang, Ausschlüsse und Schadensabwicklung vergleichen

3. Nebentätigkeiten verschweigen

Fehler: Nur Haupttätigkeit angeben, Beratung oder Schulungen verschweigen Lösung: Alle beruflichen Tätigkeiten vollständig deklarieren

4. Retroaktivität vergessen

Fehler: Keine Deckung für vergangene Arbeiten vereinbaren Lösung: Retroaktive Deckung ab Beginn der Selbständigkeit einschließen

5. Auslandsschutz übersehen

Fehler: Nur Schweizer Deckung bei internationalen Kunden Lösung: Weltweiten Schutz oder zumindest Europa-Deckung wählen

6. Verspätete Schadenmeldung

Fehler: Schäden erst melden, wenn Ansprüche gestellt werden Lösung: Potentielle Schäden sofort der Versicherung melden

7. Police nicht aktualisieren

Fehler: Versicherung bei Geschäftserweiterung nicht anpassen Lösung: Bei allen Änderungen sofort den Versicherer informieren

8. Ausschlüsse ignorieren

Fehler: Vertrag unterschreiben ohne genaue Kenntnis der Ausschlüsse Lösung: Alle Bedingungen vor Abschluss gründlich prüfen lassen

Anbieter und Empfehlungen

Marktführer mit Vollservice

Zurich Versicherung:

  • Stärken: Umfassende Deckung, gute Schadensabwicklung
  • Spezialisierung: Alle Berufsgruppen, besonders Medizin
  • Prämienniveau: Mittel bis hoch

AXA Schweiz:

  • Stärken: Flexible Lösungen, digitale Services
  • Spezialisierung: KMU und freie Berufe
  • Prämienniveau: Mittel

Allianz Suisse:

  • Stärken: Internationale Abdeckung, Branchen-Know-how
  • Spezialisierung: Beratung, IT, Architektur
  • Prämienniveau: Mittel bis hoch

Spezialisierte Anbieter

Chubb (ehemals ACE):

  • Fokus auf Managerhaftung und Professional Indemnity
  • Hohe Deckungssummen für komplexe Risiken
  • Premium-Segment

SUVA (nur bestimmte Bereiche):

  • Ergänzende Deckungen für Handwerksbetriebe
  • Günstige Prämien durch Präventionsarbeit

Empfehlungen nach Berufsgruppen

IT und Beratung: AXA oder Allianz wegen Cyber-Expertise Medizin: Zurich wegen Branchenspezialisierung Architektur/Bau: Chubb für hohe Deckungssummen Treuhand/Finanz: Allianz wegen Vermögensschaden-Fokus

Makler vs. Direktabschluss:

  • Makler: Bessere Beratung, Vergleich, Schadenunterstützung
  • Direkt: Günstiger, schneller, weniger Beratung

Weiterführende Artikel

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Ist die Berufshaftpflicht steuerlich absetzbar?

Ja, die Berufshaftpflichtversicherung ist vollständig als Betriebsausgabe steuerlich absetzbar. Bei Einzelfirmen reduziert sie das steuerbare Einkommen, bei Kapitalgesellschaften den Gewinn. Wichtig ist die klare Trennung von privater und beruflicher Haftpflicht in der Buchhaltung.

Greift die Versicherung auch bei grober Fahrlässigkeit?

Die meisten Berufshaftpflichtversicherungen decken auch grobe Fahrlässigkeit ab – das ist ein wichtiger Vorteil gegenüber anderen Versicherungsarten. Ausgeschlossen sind jedoch vorsätzliche Schäden, bewusste Pflichtverletzungen und kriminelle Handlungen. Prüfe die Bedingungen genau, da manche Anbieter bei grober Fahrlässigkeit Kürzungen vornehmen.

Was passiert bei Geschäftsaufgabe mit der Versicherung?

Bei Geschäftsaufgabe ist die Nachversicherung entscheidend. Sie schützt dich vor Ansprüchen aus vergangenen Arbeiten, die oft Jahre später geltend gemacht werden. Standard sind 1-3 Jahre Nachversicherung, bei risikoreichen Berufen empfehlen sich 5-10 Jahre. Die Nachversicherung läuft meist automatisch und ohne zusätzliche Prämie.

Brauche ich als GmbH-Geschäftsführer eine Berufshaftpflicht?

Ja, denn als Geschäftsführer haftest du persönlich für Schäden aus Pflichtverletzungen – die GmbH-Haftungsbeschränkung schützt nicht vor persönlichen Fehlern. Zusätzlich zur Berufshaftpflicht solltest du eine D&O-Versicherung (Directors & Officers) prüfen, die speziell Organschäden abdeckt. Die normale Berufshaftpflicht deckt meist nur fachliche Fehler ab.

Wie lange dauert eine Schadensregulierung normalerweise?

Einfache Schadenfälle werden meist innerhalb von 2-4 Monaten reguliert. Komplexe Fälle mit Gutachten oder Rechtsstreitigkeiten können 6-24 Monate dauern. Wichtig: Führe keine eigenen Verhandlungen und leiste keine Zahlungen. Die Versicherung übernimmt die komplette Abwicklung einschließlich Rechtsverteidigung.

Kann ich die Berufshaftpflicht jährlich wechseln?

Ja, die meisten Verträge haben eine Laufzeit von einem Jahr und können mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Achte aber auf lückenlose Deckung beim Wechsel: Die neue Police muss am Tag nach Ablauf der alten beginnen. Prüfe auch die Retroaktivität – manchmal ist ein Wechsel weniger günstig als gedacht.

Sind Rechtschutzkosten automatisch mitversichert?

Nein, Rechtschutzkosten sind nur bei entsprechendem Einschluss mitversichert. Viele Berufshaftpflichtversicherungen enthalten zwar die Abwehr unberechtigter Ansprüche, aber nicht die Durchsetzung eigener Ansprüche. Für umfassenden Rechtsschutz brauchst du eine separate Rechtsschutzversicherung oder einen speziellen Baustein in der Berufshaftpflicht.

Fazit und nächste Schritte

Die Berufshaftpflichtversicherung ist für Selbständige in der Schweiz ein unverzichtbarer Baustein der Risikoabsicherung. Ein einziger größerer Schaden kann ohne Versicherung die Existenz vernichten – die Prämien sind im Vergleich dazu minimal.

Auch wenn für deinen Beruf keine Versicherungspflicht besteht, solltest du eine Berufshaftpflicht ernsthaft prüfen. Die Kosten von CHF 600-2'500 pro Jahr sind überschaubar, der Schutz vor existenzbedrohenden Schadenersatzforderungen jedoch unbezahlbar.

Deine nächsten Schritte:

  1. Prüfe die gesetzlichen Anforderungen für deinen Beruf
  2. Führe eine ehrliche Risikoanalyse deiner Tätigkeit durch
  3. Hole dir mindestens drei Vergleichsangebote ein
  4. Lass dich von einem Experten beraten – die Investition lohnt sich
  5. Schließe die Versicherung ab, bevor der erste Kunde ein Projekt startet

Die Berufshaftpflicht gibt dir die Sicherheit, dich voll auf dein Business zu konzentrieren, ohne ständig Angst vor ruinösen Schadenersatzforderungen haben zu müssen.

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